Home > Kolumne&Forum

Gestaltpsychotherapie.de

...Kolumne&Forum...

News Kolumne&Forum Klienten-Seite Profi-Seite Autor


 

AG „Klinische Theorie der Gestalttherapie“– Bericht über die Aktivitäten im Jahr 2006 für die Jahrestagung der dvg 2007

Gedanken im Anschluß an die Tagung zum 20jährigen Bestehen der dvg:

Heftiger Widerspruch regte sich zu der auf der Tagung vorgetragenen Idee von dem Bemühen um Kassenzulassung abzusehen. Unseres Erachtens ist die Gestalttherapie ein wichtiger Beitrag zur psychotherapeutischen Grundversorgung und sollte daher nicht in die Lebenskunst-Ecke abgedrängt werden.

Bezogen auf den Festvortrag von Hans-Peter Dreitzel kreiste die Diskussion um den Begriff der Gestalttherapie als Kunsthandwerk. Bei aller Kunstfertigkeit, die ein Gestalttherapeut braucht, birgt der Kunstbegriff doch auch die Gefahr, dass man in narzisstischer Selbstüberhöhung auf methodisch sauberes Arbeiten verzichtet. Der Therapeut als Künstler, Guru und Meister ist eine Gefährdung der Therapie. Allerdings ist der Begriff der Kunst dann angemessen, wenn sich der Therapeut zurücknimmt und etwas im Kontakt kreativ und ungeplant entstehen kann.

Weiterentwicklung der Theorie der Gestalttherapie:

Insgesamt kann der Vortrag von Dreitzel als richtungsweisend für eine künftige Theoriediskussion gesehen werden.
Die von Dreitzel angesprochenen Themen:

  • Das Selbst als Kontaktgrenze in Bewegung
  • Feldtheorie
  • Kontaktunterbrechungen
  • Hier und Jetzt vs. Biographie
  • Symbolisierung
  • Positiver Aggressionsbegriff der GT
  • Neurobiologie und Gestalt
  • Theorie der Funktionsstörungen

könnten Grundlage einer Agenda der Theoriediskussion in der Gestalt- Community darstellen.

Ein immer wieder kehrendes Thema in unserer Diskussion stellt dabei die Frage dar, was den unverzichtbaren Kern der Gestalttherapie - ihre Identität ausmacht.

Die drei von Yontef bezeichneten Kernelemente:

  • Die Phänomenologische Methode
  • Die Dialogische Beziehung und
  • Die Feldtheorie
    sollten unserer Meinung nach noch durch
  • das Konzept der Organismischen Selbstregulation ergänzt werden.

Eine kurze Diskussion bezog sich auf den Unterschied des System- und des Feld-Begriffes. Wichtig scheint uns bei aller Verwandtschaft der phänomenologische Charakter des Feldbegriffes im Gegensatz zu dem oft objektivierend gebrauchten Systembegriff – als sei das System eine objektive Entität.

Immer wieder spielt die Konzeption des Selbst in unseren Diskussionen eine zentrale Rolle.

Es zeichnet sich ab, dass das Störungskonzept, das einzig auf die Behebung von Mangel, also auf die Befriedigung von Bedürfnissen im Sinne der Organismischen Selbstregulation gerichtet ist, zu kurz greift, dass vielmehr die Aufrechterhaltung der Einheit/Identität des Organismus (Holismuskonzept von Jan Smuts) , die Bemühung um Konsistenz (Klaus Grawe), bzw. die Kohärenz des Selbst (Kohut) Strebungen darstellen, welche die Maslowsche Bedürfnispyramide auf den Kopf stellen können.

Selbstverwirklichung als Wachstumsprozess, als Verwirklichung der eigenen Wesenheit im Umweltkontakt.

Kann dieser von Goldstein stammende Wesensbegriff unkritisch verwendet werden? Gibt es ein Wesenskonzept des Selbst jenseits seiner bisherigen ausschließlichen Funktionsbestimmung als Kontaktgrenze?

Zum Thema:

„Intersubjektivität“ und „Das Dritte“ in der Psychoanalyse im Vergleich mit der Buberschen Konzeption des „Zwischen“

Intersubjektivitätsansätze in der neueren Psychoanalyse, weg vom Subjekt – Objekt – Denken hin zu einer relationalen Psychoanalyse, bei der gegenseitige Anerkennung und „Ko-Konstruktion“ der Wirklichkeit im Vordergrund stehen. (Benjamin, Ogden, Atwood und Stolorow) zeigen an, dass sich die moderne Psychoanalyse in großen Schritten dem Thema der Beziehung und Begegnung nähert

Ist der „Raum der Intersubjektivität“ das „Dritte“ (Ogden)? Ist dieses „Dritte“ vergleichbar mit dem Konzept des „Zwischen“(Buber)

In der Gestalttherapie gibt es außer bei Yontef, Jacobs und Staemmler kaum Auseinandersetzungen mit dem Begriff des „Zwischen“ .

Wozwischen ist da was? Das wirft Fragen nach dem Konzept der Person in der Gestalttherapie auf und danach, wie sich die Person vom Selbst unterscheidet.

Diese Fragen gehen auch auf die Entwicklung des Selbst und dessen Störung:

(Nach Stolorow ist ein Therapieziel bei Frühstörungen, den anderen als eigenständiges Subjekt anzuerkennen: Wenn ich den anderen nicht als eigenständiges Subjekt anerkenne, kann ich nicht dessen Anerkennung nehmen.)

Es erhebt sich die Frage, ob es nicht ein Primat des Selbst vor dem Ich (Triebbefriedigung) gibt.

Fazit: Offensichtlich wird die Gestalttherapie nicht daran vorbeikommen, sich mit der Konzeption des Selbst über die klassische Idee der Organismischen Selbstregulation im Organismus – Umwelt – Feld hinaus, mit der „Intersubjektivität“ als einem „apriori“, dem „Zwischen“ und verwandten Konzepten zu befassen.

Diskussion über den Stellenwert der Emotion-Focused- Therapy von Leslie Greenberg:

Nachdem die meisten Mitglieder der AG im gerade neu erschienenen Reader „Emotionen im Fokus“ von Nina Gegenfurtner und Regine Fresser-Kuby (Hg.) aus ihren jeweiligen Perspektiven Artikel veröffentlicht haben, ergibt sich natürlich die Frage nach dem Verhältnis von Gestalttherapie und dem Ansatz der Emotion Focused Therapy von Greenberg.

Einig ist man sich, dass die Manualisierung des therapeutischen Vorgehens bei spezifischen Störungsbildern einen Fortschritt in der Systematik des methodischen Vorgehens und eine Verbesserung von deren Lehrbarkeit darstellt. Ob diese mit Elementen der Klient-zentrierten Therapie verbundene Form der Gestaltarbeit eine reine Weiterentwicklung von Methodik und Technik darstellt, also Räume im Haus der Gestalttherapie klarer einrichtet und in diese integrierbar ist oder eine Weiterentwicklung darstellt, welche die alte Gestalttherapie hinter sich lässt, wird eine Frage der therapiepolitischen Entwicklung sein. Für uns erscheint die Systematisierung der Methodik in Greenbergs EFT eine hilfreiche und interessante Weiterentwicklung darzustellen, wenn sie im Rahmen der dialogischen gestalttherapeutischen Grundhaltung angewendet wird.

Thema: Die Dialogische Struktur des Selbst

Im Anschluss an unsere vielfältigen Diskussionen über die Konzeption des Selbst, die in den klassischen Schriften der Gestalttherapie wesentlich auf die Funktion der Kontaktgrenze beschränkt war, sich aber zunehmend als Desiderat erweist, versucht A.B. das Selbst nicht nur als Funktion des Kontaktes im Hier und Jetzt zu fassen, sondern seine Struktur als durch verinnerlichte Dialoge geprägt zu begreifen.

Das Selbst entwickelt sich als Struktur in Erfahrungssequenzen, die immer einen kommunikativen Kontext und/oder Inhalt haben. Die dabei wesentlichen „signifikanten anderen“ verdichten sich dabei zum „generalisierten anderen“ (G.H.Mead) mit dem/denen identifiziert sich das Individuum auf sich selbst beziehen kann. Selbstbewusstsein ist so betrachtet die Fähigkeit sich mit den Augen der/des anderen zu sehen.

Die neurologische Basis solcher Fähigkeit liegt in den Spiegelneuronen begründet, die bewirken, dass ein Mensch das bei anderen beobachtete Verhalten, seine Gestik und Mimik ansatzweise imitiert und auf diese Weise zumindest im Ansatz spüren und fühlen kann, was dieser erlebt.

Das Selbst ist so gesehen a priori intersubjektiv, d.h. dialogisch strukturiert. Der Selbstbezug ist verinnerlichter Dialog, der in der Begegnung wieder nach außen projiziert (Übertragung!) wird. Der Begriff Dialog bezieht sich hierbei prinzipiell auch Interaktion von mehr als zwei Individuen.

Neben dieser apriori intersubjektiven, dialogischen Struktur des Selbst gibt es natürlich auch ein Ich als Subjekt zielgerichteten auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten Wahrnehmens und Handelns, das keineswegs im Widerspruch zu dieser dialogischen Struktur, sondern in enger Verbindung damit steht. Das Ich ist a priori subjektiv, das Selbst a priori intersubjektiv, dialogisch. Das Ich richtet sich auf den anderen, das Selbst umfasst das Ich und den anderen. Mit welcher Seite des verinnerlichten Dialogs das Ich identifiziert ist und welche auf den anderen projiziert wird, ist nicht von vorneherein ausgemacht, sondern entscheidet sich nach den Feldgegebenheiten.

Für die Therapie einer gestörten verinnerlichten Dialogstruktur hat dies folgende Implikationen:

  • Es kann in einer dialogischen Gestalttherapie – diese Richtung der Gestalt hat sich bislang am stärksten mit den Qualitäten und therapeutischen Implikationen von „Dialogen“ befasst – nicht nur um die Qualität der therapeutischen Beziehung gehen – auch wenn diese natürlich Basis ist - , sondern es geht auch um die verinnerlichten Dialoge und deren Bearbeitung in der Projektion.
  • Gestalttherapie – und das tut sie eigentlich schon immer in der Arbeit dem leeren Stuhl – erkennt und bearbeitet die Projektion der verinnerlichten Dialoge - sei es in einem Dialog innerer Stimmen, in einer Berabeitung äußerer Konflikte des sozialen Feldes oder in der therapeutischen Beziehung als Beziehungs- und Übertragungsfeld.
  • Diese Verschränkung von tragfähiger therapeutischer Beziehung (aktuellem Dialog) und der Bearbeitung der verschiedensten Projektionsformen verinnerlichter Dialoge entspricht der bisherigen Praxis gelingender Gestalttherapie im übrigen sehr viel mehr als manches rein auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtete verkürzte Gestaltkonzept.

In der anschließenden Diskussion wird nochmals die Bedeutung der Selbstpsychologie für die Weiterentwicklung der Gestalttherapie, wie sie von Kohut, Buber, Benjamin etc. betont wurden hervorgehoben.

©2007 AG Klinische Theorie der Gestalttherapie in der DVG

Kolumnen-
Archiv

andere Foren zur
Gestalttherapie:

Behavior Online

Gstalt-L Email-Discussion-
List

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 

Home | News | Kolumne&Forum | Klienten-Seite | Profi-Seite | Autor


Copyright ©2000-2006 Achim Votsmeier-Röhr. All rights reserved. Stand: 03.10.2007