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Dialogische
Gestalttherapie
Die therapeutische
Beziehung in der Dialogischen Gestalttherapie
orientiert sich an den Grundsätzen der
existentiellen Beziehungsphilosophie Martin Bubers,
der 'dialogischen Haltung' (Buber 1984, Hycner 1989,
Friedman 1987). Diese betont ein
Hin-und-Her-Schwingen zwischen dem Handeln aus einer
sog. Ich-Es-Haltung, das aus ontologischer
Getrenntheit heraus vertikal, ziel- und
zweckgerichtet ist und dem Handeln aus einer sog.
Ich-Du-Haltung, das aus ontologischer Bezogenheit
heraus sich dem anderen Menschen in horizontaler
Weise hinwendet, ihn als Person in seiner
Einzigartigkeit wertschätzt, ohne einen Zweck zu
verfolgen. Beide Haltungen stehen in einem
Figur-Grund-Verhältnis zueinander und werden je nach
Erfordernis der Situation gewählt. Ein so
gestalteter Dialog zwischen Therapeut/in und
Patient/in bringt den Bereich des
"Zwischen" hervor, den ebenfalls
ontologischen Bereich eines größeren Kontexts,
welcher beide Personen in der Begegnung umfaßt. Aus
diesem Bereich treten die Antworten hervor, die
unseres Erachtens den Wirkfaktor der therapeutischen
Beziehung ausmachen. Für die "Heilung durch
Begegnung" reicht von der Seite des/der
Therapeuten/in die Einnahme der Expertenrolle nicht
aus, wenn er/sie sich nicht ebenfalls als Person auf
die Beziehung einläßt und offen für das ist, was
"zwischen" beiden hervortritt.
Die Merkmale der
dialogischen Haltung von Seiten des/der
Therapeuten/in sind Präsenz, Umfassung, Bestätigung
und das Hüten des Dialogischen im Dienste des
"Zwischen".
Präsenz
bedeutet, sich aufrichtig in die Interaktion mit dem
Gegenüber einzubringen, mit dem Ziel, dem/der
anderen so gegenwärtig wie möglich zu werden und
gleichzeitig die eigene Perspektive zu bewahren.
Präsenz beinhaltet, sich emotional berühren zu
lassen und das persönliche Erleben ggf. in den
Dialog mit einzubringen.
Umfassung
bedeutet, das Geschehen in der Therapie so gut es
geht von der Seite des Gegenübers wie von sich aus
zu erleben, dort und hier zur selben Zeit sein zu
können, die phänomenologische Realität des/der
anderen zu erleben und gleichzeitig die eigene
Zentriertheit zu bewahren. Im Unterschied zur reinen
Empathie ist der Fokus nicht das Gegenüber, sondern
die Teilhabe an der Situation, die beide Seiten
umfaßt.
Bestätigung
bedeutet notwendig, die andere Person in ihrer
Existenz als eigenständiges Wesen zu akzeptieren und
darin anzuerkennen, so wie sie im Moment ist. Dies
ist jedoch nicht hinreichend für ihre Bestätigung.
Diese beinhaltet nämlich ebenso die Bekräftigung
der Möglichkeiten, die in ihr als Person vorhanden
sind, einschließlich des Anerkennens der
verleugneten, abgespaltenen Anteile, die ihr nicht
bewußt sind, sie aber ebenfalls ausmachen. Dies kann
bedeuten, genaues Feedback zu geben oder etwas zu
konfrontieren, was der Selbstwahrnehmung entgeht. Es
kann auch bedeuten, eine existentielle
"Forderung" zu stellen und darum mit der
Person zu "ringen". Diese Art der
Bestätigung bedeutet, zwar auf ermutigende Art zu
"fordern", dem Gegenüber aber nichts
überzustülpen.
Das Hüten des
Dialogischen im Dienste des
"Zwischen" bedeutet, sich als Therapeut/in
für den therapeutischen Dialog verantwortlich zu
fühlen und die Offenheit dafür zu bewahren, was aus
dem Bereich des "Zwischen" entsteht. Es
beinhaltet, immer wieder eine Haltung kreativer
Indifferenz, einen mittleren Modus zwischen aktiv
sein und passiv sein einzunehmen, geprägt von
Interesse, Neugierig sein und Staunen sowie sich von
Unerwartetem überraschen lassen zu können.
Die eingesetzten
spezifischen gestalttherapeutischen Methoden sind
immer im Kontext der Beziehung eingebunden. Kommt es
in der inhaltlichen therapeutischen Arbeit zu
Schwierigketen in der therapeutischen Beziehung, z.B.
durch Mißverständnisse, ist ein Wechsel auf die
dialogische Ebene erforderlich, um das
Beziehungsproblem gemeinsam zu verstehen und zu
lösen.
(© Achim Votsmeier 1998)
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