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Gestaltpsychotherapie.de

...Illustrative Bibliographie der Gestalttherapie...

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Achim Votsmeier (1992)

Eine ausgewählte illustrative Bibliographie
der Gestalttherapie:

(bisher unveröffentlichtes Manuskript, Grönenbach 1992)

Eine Besonderheit der Theorie der Gestalttherapie ist, daß sie weniger ein abgeschlossenes Theoriegebäude als vielmehr ein integrativer Bezugsrahmen ist.
Eine Anzahl von bestimmten Kriterien und Wesenselementen dieses Bezugsrahmens bilden den Kontext der gestalttherapeutischen Praxis. Diese Kriterien und Wesenselemente bilden einen kohärenten Zusammenhang und werden das Gerüst dieser bibliographischen Auswahl sein.

Anfangs will ich jedoch einige Gesamtdarstellungen erwähnen, in denen die wesentlichen Konzepte der Gestalttherapie beschrieben werden:

POLSTER, E.& M.: Gestalttherapie.
(umfassendes, teilweise etwas weitschweifiges Buch mit persönlicher Note der Autoren.)
München 1977.

PERLS, F.: Grundlagen der Gestalt-Therapie. Einführung und Sitzungsprotokolle.
(letztes, leider unvollendetes Buch von F.Perls; seine klarste Beschreibung und Erklärung wichtiger Konzepte, unter anderem des "existentiellen Impasse".)
München 1985.

KORB, M.P. et.al.: Gestalt Therapy. Practice and Theory.
(umfassende Darstellung des Menschenbilds, der Theorie der gesunden Funktion und der Störung, der Therapie und der Rolle des Therapeuten.)
New York u.a., Pergamon Press 1989.

PERLS, F.S., HEFFERLINE, R.F., GOODMAN, P.: Gestalt-Therapie.
(anspruchsvolles, von Goodman verfasstes und beeinflußtes Frühwerk; Darstellung der Theorie des Selbst; Experimente zur praktischen Anwendung; schlechte Übersetzung des englischen Originals.)
Stuttgart 1981.

Die philosophische Grundlage der Gestalt-Therapie ist die "existentielle Phänomenologie". Die phänomenologische Exploration der Existenz der Person gibt die Methode und die Richtung des gestalttherapeutischen Vorgehens an.

Diese Basis der Gestalt-Therapie ist in der Literatur kaum systematisch und detailliert beschrieben worden. Neuerdings gibt ein Buch einführend Aufschluß über die Materie:

SPINELLI, E.: The interpreted world. An introduction to phenomenological psychology.
London 1989.

Eine detaillierte Darstellung der existentiellen Konflikte und spezifischen Ängste sowie der Abwehr dagegen und der entsprechenden Therapie gibt:

YALOM, I.D.: Existentielle Psychotherapie.
Köln 1989.

Interessant ist, daß die Begründer der Gestalt-Therapie diese ursprünglich "Existentielle Therapie" taufen wollten, jedoch durch die eher pessimistische Haltung des damalig aktuellen französischen Existentialismus davon abkamen.
Der Existentialismus wirft den Menschen auf sich selbst zurück, öffnet jedoch bei manchem eine Pforte zur Ebene der "Essenz", der spirituellen Dimension der menschlichen Existenz.
In der Gestalt-Therapie geht es jedoch nicht nur um den "existierenden" Einzelnen, sondern wie jede Psychotherapie geschieht sie im Kontext einer Beziehung zwischen mindestens zwei Personen.
Die der phänomenologischen Methode entsprechende Beziehung zwischen Menschen ist der "Dialog". "Dialog" ist die besondere Form von Kontakt in der Gestalt-Therapie.

Zur Vertiefung der Verständnisses einer so verstandenen "Dialogischen Gestalt-Therapie" sei die Lektüre der Werke Martin Bubers empfohlen, der neben Paul Tillich einen großen Einfluß auf Laura Perls gehabt hat und so die gestalttherapeutische Haltung der "Heilung durch Begegnung" prägte. Buber wird als "religiöser Existentialist" (Störig) bezeichnet, manchmal auch als "gläubiger Humanist" und verkörpert eine Spiritualität, die den Dialog zwischen Person und Person nur vor dem Hintergrund des Dialogs zwischen Mensch und Gott möglich sieht und umgekehrt (Yontef).

Einige empfehlenswerte Bücher:

BUBER, M.: Das dialogische Prinzip.
Heidelberg 1984.

HYCNER, R.: Zwischen Menschen.
Köln 1989.

FRIEDMAN, M.: Der heilende Dialog in der Psychotherapie.
Köln 1987.

Zur spezifischen Übertragung auf die Gestalt-Therapie möchte ich
verweisen auf:

HYCNER, R.A.: Dialogical Gestalt Therapy. An initial proposal.
in: The Gestalt Journal, Vol. VIII, No. 1, 1989.

JACOBS, L.: Dialogue in Gestalt theory and therapy.
in: The Gestalt Journal, Vol. XII, No. 1, 1990.

FRIEDMAN, M.: Dialogue, philosophical anthropology, and Gestalt Therapy.
in: The Gestalt Journal, Vol. XIII, No. 1, 1990.

HYCNER, R.A.: The I-Thou Relationship and Gestalt Therapy.
in: The Gestalt Journal, Vol. XIII, No. 1.

YONTEF, G.F.: Gestalttherapie als dialogische Methode. Integrative Therapie 2-3/83.

YONTEF, G.M.: Recent trends in Gestalt Therapy in the United States and what we need do learn from them.
in: The Britisch Gestalt Journal, 1991, 1.

Die Existenz des Menschen wird in der Gestalt-Therapie in seiner entfalteten Vielschichtigkeit sowie als einheitliches Ganzes gesehen. Wir betrachteten bisher die Ebene des Einzelnen und seines subjektiven Erlebens und die Ebene der Beziehung, in diesem Fall der therapeutischen Beziehung. Welche Ebene ich betrachte hängt von der Perspektive des Beobachters ab.

Die Gestalt-Therapie betrachtet den Lebensraum, der die Person und ihre Umwelt umschließt, als ein "Feld" (Lewin).
Die "Feldtheorie" versteht die Realität als ein einheitliches, untrennbares Ganzes, in dem alles in Bewegung (Prozeß) und in Beziehung zueinander ist.
Durch Differenzieren, das Treffen von Unterscheidungen durch die Person kommt es zu Gestaltbildung, der Wahrnehmung einer Figur vor einem Hintergrund. Auf diese Art und Weise abstrahieren wir vom Feld als Ganzen und können so z.B. auch die Realität einer Person in ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmen.

Diese Bewußtheit (awareness) von Unterschieden ist die Voraussetzung für Kontakt. "Kontakt" ist die Bewußtheit der Grenze zwischen mir und einer anderen Person, wobei "Grenze" den Prozeß gleichzeitigen Bindens und Trennens bezeichnet. Praktisch findet Kontakt als Berührung meines subjektiven Erlebens mit dem subjektiven Erleben des anderen statt.
Die Existenzebene der "Beziehung" als Dialog zwischen Personen findet in der "Feldtheorie" eine nochmals erweiterte Perspektive, indem unser ganzes Dasein als in Beziehung und in Bewegung sein verstanden wird.

Diese Einsichten in eine übergeordnete Existenzebene des Menschen verdankt die Gestalt-Therapie der "Gestaltpsychologie", was ihr auch den Namen gab.
Die Feldtheorie ist neben der Existentiellen Phänomenologie und der Dialogischen Beziehung ein weiteres Wesenselement, das den Kontext der Gestalttherapie bildet und in der Praxis Anwendung findet.
Diese Kriterien werden mehr oder weniger ausführlich in den Gesamtdarstellungen erwähnt, zur Vertiefung kann folgendes Buch dienen:

WALTER, H.J.: Gestalttheorie und Psychotherapie.
Darmstadt 1977.

Die Aufgabe und der Sinn von Psychotherapie liegt im Fördern von Bewegung und Veränderung auf Seiten der Klienten, die ja in Therapie kommen, weil ihr Leben stagniert, festgefahren ist, in dysfunktionalen Mustern erstarrt ist und bei ihnen oder anderen oder beiden großes Leid verursacht, so groß, daß sie es als not-wendig erleben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie ihr Leben auf ihre Art nicht mehr bewältigen können.
Phänomenologisches Explorieren der Existenz, des In-der-Welt- -Seins der Person als Fokus der Gestalt-Therapie bedeutet Zentrierung in der Gegenwart, Erkennen meiner Verantwortung für die Wahl meiner Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensweisen und führt letztlich zum Annehmen dessen, was ist. "Was ist, ist."
Dies in Verbindung mit dem "Dialog" als Form des Beziehung zwischen Therapeut und Klient, der nicht "hergestellt" werden kann, sondern im "Zwischen" geschieht und der Prozeß-Perspektive des "eins führt ins andere" der Feldtheorie sind die Elemente einer philosophischen Anthropologie, deren Anwendung in der Gestalt-Therapie zu einem Paradox der Veränderung führt:

Veränderung "geschieht", wenn ich bin, was ich gerade bin, nicht, wenn ich versuche, etwas anderes zu sein als ich gerade bin.

Diese "Paradoxe Theorie der Veränderung" ist ein weiteres Kriterium der Gestalt-Therapie und wird in einem Artikel von Beisser näher definiert:

BEISSER, A.R.: The paradoxical theory of change.
in: Fagan/Shepherd: Gestalt Therapy now. Palo Alto 1970.

Fritz Perls hat in seinen späteren Jahren diesen Prozeß der Veränderung in seinem "Impasse-Modell" detailliert beschrieben, wobei er auch den Widerstand gegen Veränderung miteinbezog. Er unterschied verschiedene Phasen:
1. Die Schicht aufgesetzten Verhaltens; 2. Phobische Schicht; 3.Blockierung und Implosion; 4.Explosion.
Die Erfahrung der "fruchtbaren Leere" im Engpaß der "existentiellen Krise" ist das Aufgeben dysfunktionaler Identifikationen, Bilder von sich und anderen zugunsten der Entfaltung einer uns innewohnenden natürlichen Intelligenz hin zu einer adäquaten Art in der Welt zu sein.

Dies ist z.B. nachzulesen im schon erwähnten Buch von:

PERLS, F.: Grundlagen der Gestalt-Therapie.

Eine Aussage der Feldtheorie ist, daß Prozeß und Struktur untrennbar und komplementäre Aspekte des Ganzen sind. Auch im neueren systemischen Denken spricht man von Struktur als der räumlich-zeitlichen Ordnung von Prozessen (Jantsch; Die Selbstorganisation des Universums, München 1979). Die Konzeptualisierung der Gestalt-Therapie war der Versuch, eine Prozeßsprache für das "Selbst" und andere Aspekte menschlichen Seins zu schaffen. Die strukturellen Aspekte blieben eher unbeachtet und wurden auch in der Theorie vernachlässigt.
Durch die immer stärker zunehmende Arbeit mit Menschen mit sogenannten "frühen Störungen" wird das Problem der "strukturellen Defizite" immer deutlicher.

Diese Existenzebene oder Perspektive ist in der Gestalt-Therapie jedoch durchaus vorhanden, hat allerdings weniger Niederschlag in der Literatur gefunden. Hier ist die Arbeit von Laura Perls zu nennen, deren Verständnis von Gestalt-Therapie nach eigenen Worten auf der "Organismischen Theorie" Kurt Goldsteins beruht.
Deshalb nenne ich diese Existenzebene die "organismische" Ebene. Hier geht es um die interne Organisation und die Struktur des menschlichen Organismus.

Laura Perls benennt diese Ebene in ihrem "Kontakt-Support"- Konzept. Kontakt und Support stehen in einem Figur-Grund- Verhältnis (ein Konzept aus der Gestaltpsychologie), der Hintergrund erst gibt der Gestaltbildung im Vordergrund seine Bedeutung, ein mangelhafter Hintergrund verhindert bedeutungsvollen Kontakt. Sie versteht "Self-Support" inhaltlich, meint die Kapazitäten und Fähigkeiten einer Person, eingeschlossen seiner genetischen Ausstattung, Körperhaltung, Wissen etc..
Mehr hierzu ist nachzulesen in:

PERLS, L.: Begriffe und Fehlbegriffe der Gestalttherapie.
in: Perls, F.: Gestalt, Wachstum, Integration.
Paderborn 1980.

PERLS, L.: Leben an der Grenze.
Köln, 1989.

In Kurt Goldsteins' Arbeit geht es um den strukturellen Aspekt, darum, wie die Erfahrungen eines Menschen integriert oder intern organisiert werden, und zwar im Dienste der Aufrechterhaltung seiner Identität und Individualität in Kontakt und Beziehung mit anderen Menschen und der Welt. Er beschäftigt sich auch mit den Konsequenzen eines dysfunktionalen organismischen Hintergrunds für den Prozeß der Integration und Organisation von Erfahrungen.
Als Literatur hierzu ist zu nennen:

GOLDSTEIN, K.: Der Aufbau des Organismus.
The Hague 1934. Fotomechanischer Nachdruck 1963.

GOLDSTEIN, K.: Human nature in the Light of Psychopathology.
Cambridge, Mass. 1947.

GOLDSTEIN, K. Selected Papers/Ausgewählte Schriften.
The Hague 1971.

In einem Artikel habe ich versucht, diese organismische Perspektive anzuwenden, um ein gestalttherapeutisches Erklärungsmodell der Borderline-Persönlichkeit vorzustellen, welches Borderline-Zustände als Phänomene beeinträchtigter "Self-Support"-Funktionen versteht und näher beschreibt.
Nachzulesen ist dies in:

VOTSMEIER, A.: Gestalttherapie mit Borderline-Patienten.
in: Gestalttherapie 2/1988.

Die bisher beschriebenen Existenzebenen sind die Kriterien und Wesenselemente der Gestalt-Therapie. Diese bestimmen den Kontext gestalttherapeutischen Handelns.

Auf dieser Grundlage gibt es noch eine vielfältige Literatur zu speziellen Anwendungen der Gestalt-Therapie:

Die gestalttherapeutische Arbeit mit Träumen wird illustriert in:

PERLS, F.: Gestalt-Therapie in Aktion.
Stuttgart 1974.

Zur Anwendung in der Körperarbeit verweise ich auf:

KEPNER, J.I.: Körperprozesse.
Köln 1988.

Eine Sammlung von Gestalt-Experimenten zur Schulung von Wahrnehmung und Bewußtheit gibt:

STEVENS, J.O.: Die Kunst der Wahrnehmung.
München 1975.

Ebenfalls Aufmerksamkeit auf "Sensory Awareness" lenkt:
BROOKS, Ch.V.W.: Erleben durch die Sinne.
Paderborn 1973.

Ihre Anwendung in der Familientherapie beschreibt:

KEMPLER, W.: Gestalt-Familientherapie.
Stuttgart 1976.

Zur Gestalt-Gruppentherapie siehe:

RONALL, R./FEDER, B.: Gestaltgruppen.
Stuttgart 1983.

Zur Beratungsarbeit ist neuerdings erschienen:

FUHR, R./GREMMLER-FUHR, M.: Dialogische Beratung.
Köln 1991.

Gestalt-Therapie hat auch in die Pädagogik Eingang gefunden. Eine Einführung gibt hier:

BROWN, G.I.: Gefühl und Aktion. Gestaltmethoden im integrativen Unterricht.
Frankfurt/M. 1978.

Ebenfalls empfehlenswert:
KRANZ, D.: Gestaltpädagogik mit arbeitslosen Jugendlichen in schulisch orientierten Maßnahmen.
in: Die Deutsche Schule 2/1991.

Allgemein zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist lesenswert:

OAKLANDER, V.: Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen.
Stuttgart 1981.

Jeweils aktuelle Beiträge zur Weiterentwicklung der Gestalt-Therapie in Theorie und Praxis sind den Fachzeitschriften zu entnehmen:

THE GESTALT JOURNAL
Hrsg.: The Center for Gestalt Development, P.O. Box 990, Highland, NY, USA.

GESTALTTHERAPIE
Hrsg.: Deutsche Vereinigung für Gestalttherapie (DVG), durch: Edition humanistische Psychologie, Spichernstr.2, 5000 Köln 1.

©1992 Achim Votsmeier

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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